Diesen Artikel möchten wir allen Frauen widmen, die schon einmal zu hören bekamen:
„Vergiss es, das ist Männersache.“
Rosina Ferrario wurde 1888 in eine wohlhabende Mailänder Familie geboren. Es waren die Jahre der industriellen Revolution und der italienischen Landesausstellung. Hier wurden die modernsten Industrie- und Handelsprodukte des jungen Königreichs Italien präsentiert.
Ihre Freundinnen, gebildete Töchter der Mailänder Bourgeoisie, liebten Kleider und Feste, Rosina jedoch interessierte sich viel mehr für das, was bis dato Männern vorbehalten war: Bergwanderungen, Sport, Autos und – Flugzeuge.
Rosina begann, Flugstunden auf dem Flugplatz Taliedo zu nehmen, der bis in die 1930er-Jahre der Mailänder Flughafen war und damals „Aerodromo d‘Italia“ hieß.
Doch erst in der Flugschule in Vizzola Ticino, die vom Luftfahrtpionier Gianni Caproni geleitet wurde, erhielt Rosina ihre Pilotenlizenz mit der Nummer 203.
Am 3. Januar 1913 wurde sie als erste Frau Italiens Pilotin.
In den folgenden Jahren wurde Ferrario schnell im ganzen Land bekannt: Ihre Teilnahme an Flugschauen und Demonstrationsflügen war sehr gefragt. Sie flog in einem Freiballon mit Erminio Donner-Flori und machte atemberaubende Bilder mit einem Kodak-Fotoapparat. Bei der Flugschau „Meeting Aviatorio“ in Neapel ließ sie rote Nelken auf die Menge regnen, und sie überflog Bergamo anlässlich des Besuchs von König Vittorio Emanuele III. Bei einer Gedenkfeier für den Komponisten Giuseppe Verdi präsentierte sie sich mit einer Caproni.
Carlo Maria Piazza, einer der berühmtesten und tollkühnsten Piloten jener Zeit, hatte von Rosina Ferrario gehört und schrieb ihr folgende Karte:
„Meine herzlichsten Glückwünsche, verehrtes Fräulein, doch mir wäre es lieber, wenn ich wüsste, dass Sie Mutter und nicht Pilotin sind.“
Die harsche Reaktion der Feministinnen im Gegenzug machte Rosina nur noch bekannter, und in den folgenden Jahren wurde sie zu einem Vorbild für viele Frauen und Männer, die sich für die Luftfahrt begeisterten.
Doch dann kam der Erste Weltkrieg und mit ihm die harte Wirklichkeit: Rosinas Bewerbungen als Pilotin beim Roten Kreuz, bei den Freiwilligen Piloten und beim Fliegerkorps wurden alle abgelehnt.„Die Einberufung junger Damen in den Dienst der königlichen Armee ist nicht vorgesehen“, antwortete ihr der damalige Kriegsminister Vittorio Italico Zupelli.
Also beschloss Rosina, mit dem Fliegen aufzuhören und sich mit ihrem Mann zurückzuziehen, um gemeinsam mit ihm wieder ihre geliebten Bergwanderungen zu unternehmen.