Wenn es in den 1920er-Jahren für eine Frau schon ein Unterfangen war Pilotin zu werden, was konnte es dann erst für eine afroamerikanische Frau bedeuten?
Bessie Coleman wurde 1892 an einem der ungünstigsten Orte geboren, um als farbige Frau ihre Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen: in Texas, dem Südstaat par excellence.
Bessie, das zehnte von dreizehn Kindern einer Farmpächterfamilie, hatte sicherlich keine einfache Kindheit. Jeden Morgen musste sie mehr als sechs Kilometer zu Fuß zur Schule gehen, in der ausschließlich Schwarze unterrichtet wurden, und jedes Jahr musste sie regelmäßig den Schulunterricht wegen der Baumwollernte unterbrechen. Sogar ihr Vater ertrug am Ende die Lebensbedingungen in Texas nicht mehr und verließ seine Familie, um in seine etwas liberalere Heimat Oklahoma zurückzukehren.
Trotz der Schwierigkeiten entschied sich die beharrliche und willensstarke Bessie, ihren Traum zu leben und die durch Rassenvorurteile begründeten Hindernisse zu überwinden, anstatt die Konsequenzen zu akzeptieren.
1920 erkannte Bessie, dass sie die USA verlassen musste, wenn sie ihren Wunsch, Pilotin zu werden, in die Tat umsetzen wollte: Sie wurde an der Flugschule Société des Avions Caudron in Le Crotoy aufgenommen und übte mit dem Doppeldecker Nieuport 82. In ihrem Kurs war sie die einzige afroamerikanische Schülerin.
Schon ein Jahr später, am 15. Juni 1921, erwarb Bessie Coleman ihren Pilotenschein – als erste Afroamerikanerin.
Damals galt die zivile Luftfahrt noch nicht als Branche, in der man(n) bzw. frau Karriere machen konnte. Aus diesem Grund entschloss sich Coleman, ihren Traum zu verwirklichen und Kunstflug zu lernen. Dafür musste sie jedoch erneut nach Frankreich reisen, um Expertin für Kunstflugfiguren wie Achten, Trudeln, Loopings und bodennahe Passagen zu werden. Dank ihrer spektakulären Flugmanöver wurde Bessie auch in den Vereinigten Staaten berühmt. Sie musste jedoch ihr für die damalige Zeit sehr ehrgeiziges Projekt aufgeben, eine Flugschule für Afroamerikaner zu gründen, wie sie in einem Brief an ihre Schwester schrieb.
Bessie Coleman starb im Alter von nur 34 Jahren, doch die Erinnerung an sie ist bis heute lebendig. So feiert Chicago jedes Jahr am 2. Mai den „Bessie Coleman Day“, und am O’Hare International Airport ist eine Straße nach ihr benannt.
Danke, Bessie, im Namen aller Frauen!