Traumberuf Pilot.
Das Wort FLIEGEN birgt Konnotationen, die so manche Saite im Inneren des Menschen zum Klingen bringen. Es trägt die Möglichkeit in sich, die Kräfte der Natur mithilfe der Technik zu überwinden. Man erhält durch das Fliegen quasi eine Art „Superpower“, die Entfernungen verkürzt und die Schwerkraft überwindet.
Wir haben uns mit unserem Ersten Offizier Grigory Shevandin, einem der jüngsten Piloten bei Air Dolomiti, getroffen und ihm einige Fragen zu seinem beruflichen Werdegang gestellt. Denn wir wollten uns ein genaueres Bild davon machen, wie die Ausbildung zum Linienpiloten abläuft.
Interview mit Grigory Shevandin, Jahrgang 1993, Air Dolomiti Pilot seit 2019
Herr Shevandin, wie und wann begann Ihre Karriere als Verkehrspilot?
Zunächst einmal würde ich vorschlagen, dass wir uns duzen. Mit etwa 20 habe ich im Aeroclub Vercelli mit dem Fliegen begonnen. Dort erwarb ich meine Privatpilotenlizenz (PPL), die mich dazu berechtigt, als verantwortlicher Pilot (PIC) einmotorige Flugzeuge zu führen. Mit dieser Lizenz darf man ein Single-Pilot-Flugzeug mit nicht zahlenden Passagieren fliegen. Man muss also immer ein paar Freunde finden, die Lust haben, mit einem mitzufliegen …
Was sind die Voraussetzungen für den Erwerb einer PPL-Lizenz?
Ganz einfach: Man muss mindestens 17 Jahre alt sein und ein vom Institut für Rechtsmedizin der Luftwaffe ausgestelltes Zeugnis über die psycho-physische Eignung besitzen.
Danach muss man sich intensiv mit der Theorie befassen und eine umfassende Theorieprüfung bei der ENAC (italienische Zivilluftfahrtbehörde) ablegen. Und schließlich die Praxis: Nach der Ausbildung legt man eine Flugprüfung in Anwesenheit eines von der ENAC zugelassenen Prüfers ab.
Und dann?
Jeder Ausbildungsweg ist anders. Ich bin damals in die USA gegangen, wo ich die erforderlichen Flugstunden sammeln konnte, um die Berufspilotenlizenz (CPL) zu erwerben. Das war von Anfang an mein Ziel. Ich beschloss, diese Lizenz in England, in Oxford, zu machen. Um Linienpilot bei einer Fluggesellschaft zu werden, muss man gut Englisch sprechen – von Privatpiloten wird dies nicht verlangt. Ich habe ein Jahr lang studiert und 14 Prüfungen abgelegt. Danach bin ich wieder zurück in die USA gegangen, um in Phoenix das Fliegen mit einem zweimotorigen Flugzeug zu erlernen und mich an Verkehrsflugzeuge zu gewöhnen.
Der letzte Schritt vor der Bewerbung bei einer Fluggesellschaft ist das MCC (Multi Crew Coordination), ein spezielles Training für das Fliegen von Linienflugzeugen, das in einem Flugsimulator stattfindet.
Seit wann bist du bei Air Dolomiti?
Im März 2019 habe ich mich beworben und wurde eingestellt. Dann begann meine Ausbildung für die Musterberechtigung (Type Rating) auf der Embraer 190 und 195, die ich heute fliege.
Was bedeutet es für dich, Linienpilot zu sein?
Schon als Kind wollte ich Pilot werden. Es ist ein Beruf, der gutes Denkvermögen, viel Engagement, Selbstbeherrschung, Anpassungsfähigkeit und eine unabhängige Persönlichkeit erfordert. Man muss sich an Regeln halten können und die Protokolle respektieren – jederzeit. Pilot zu werden bedeutet in erster Linie großes persönliches Wachstum. Die Erkenntnis kommt allmählich mit der eigenen Entwicklung und der zunehmenden Erfahrung. Bis jetzt habe ich 1.200 Flugstunden gesammelt, es gibt also noch viele leere Seiten in meinem Flugbuch, die ich füllen muss …
Apropos, was ist das eigentlich, ein Flugbuch (Pilot Logbook), wie bekommt man es und wie wird es ausgefüllt?
Das Flugbuch enthält kurz gesagt die Aufzeichnung aller Flüge eines Piloten. (Kapitän Shevandin zeigt uns seines: ein großes Buch mit blauem Ledereinband und goldenen Lettern darauf.) Das Flugbuch erhält ein Pilot am Anfang seiner Karriere. Da steht dann alles drin, aufgeschrieben und eingetragen nach jedem Flug, als Selbstbescheinigung und unter der zivil- und strafrechtlichen Verantwortung des Piloten. Für jeden durchgeführten Flug sind nicht weniger als zwölf Spalten auszufüllen: Datum des Abflugs, Start- und Zielflughafen, Flugzeugmodell, Gesamtdauer des Fluges, Name des Flugkapitäns und weitere Angaben.